Wir alle arbeiten mit Vergleichen, wenn auch nicht immer explizit. Doch wie weit reicht eigentlich noch die Kategorie des (Kultur-)Vergleichs, wenn immer stärker der Blick auf Verflechtungen und Vernetzungen gelenkt wird? Lässt sich wirklich von einer “methodischen Universalität” (J. Osterhammel) des Vergleichens reden? Mit historischen Bezügen auf die Altertumswissenschaften soll diese zentrale, disziplinenübergreifende (literatur-, sozial- und geschichtswissenschaftliche) Arbeitstechnik bzw. Methode nicht zuletzt auf ihre Anwendbarkeit in den eigenen Forschungsprojekten geprüft werden. Eine solche Reflexion könnte Auswirkungen haben auf ein Neuverständnis von Kulturvergleich: als eines großen Vergleichshorizonts, der gerade über kleinere Vergleichseinheiten zugänglich werden kann.
Das Forschungsseminar wird im 1. Teil ein Impulsreferat zum Problemspektrum des Vergleichens bzw. des Kulturvergleichs geben. Im 2. Teil soll — mit Bezug auf die vorgeschlagenen Texte — zwischen unterschiedlichen Praktiken und Typen des Vergleichens differenziert werden: 1) Vergleich in Rücksicht auf direkte Kontakte und Einflüsse zwischen den Vergleichsgrößen, 2) Vergleich aufgrund von genealogischen Parallelen, Analogiebildungen, Serienbildung und Variation, 3) Vergleich im Spannungsfeld von “emischen” und “etischen” Ansätzen. Zu unterscheiden ist aber auch zwischen Nah- und Fernvergleich, Struktur- und Prozessvergleich.
Das Forschungsseminar betrifft die vergleichende Betrachtung von Funden und Befunden (z.B. in der Archäologie), aber auch den Vergleich zwischen Texten, Gattungen, Motiven und besonders den Vergleich (oder eher Beziehungsgeschichten?) zwischen “Kulturen”, kulturellen Gruppen, Regionen und Gesellschaften. Zu prüfen wäre, wieweit die gegenwärtigen Horizonterweiterungen der Vergleichsmethode vor allem vonseiten der transnationalen Geschichtswissenschaft (Transfer, entangled histories, histoire croisée, Übersetzung, travelling concepts) auch für die Altertumswissenschaften fruchtbar werden können.
Das Forschungsseminar will zu einem systematisch reflektierten Umgang mit (Kultur-)Vergleichen anregen, aber auch Defizite und Grenzen der Vergleichsperspektive aufzeigen: die Problematik der Vergleichbarkeit, der Maßstäbe, der Wahl der Einheiten und der möglichen Asymmetrien kommt dabei in den Blick.
In einem 3. Teil wird Gelegenheit geboten für eine gezieltere, auch projektbezogene Diskussion von Problempunkten und Fragen, die von den TeilnehmerInnen im Vorfeld des Seminars eingereicht werden können.
Vorgeschlagene Texte:
Jürgen Osterhammel: Zivilisationen im Vergleich: Möglichkeiten und Probleme, in: Beiträge zur Historischen Sozialkunde Sondernr. 1998, S. 34-40.
David Frankfurter: Comparison and the Study of Religions of Late Antiquity, in: Claude Calame / Bruce Lincoln (eds.): Comparer en histoire des religions antiques: controverses and propositions. Liège 2012, 83-98.