Die Kultur- und Sozialwissenschaften sind in den letzten Jahren immer mehr davon abgerückt, in binären, dichotomischen Gegensätzen zu denken und zu analysieren. Doch welche Alternativen gibt es dann für das eigene Arbeiten? Reicht schon die verstärkte Aufmerksamkeit auf in-between-spaces, third spaces, d.h. auf hybride Überlappungszonen und Übergangsprozesse? Oder können wir konkretere Ansätze gewinnen, indem wir nach Figuren des Dritten Ausschau halten, also nach Akteuren der Mediation, der Vermittlung, der Translation, aber auch der potentiellen Störung und Konfliktverschärfung?
Das/der Dritte ist nicht nur ein neuer Gegenstand der Kulturwissenschaften, sondern geradezu „eine Methode, die den Blick verändert“ (Bedorf). Denn sie stellt das vorherrschende Zweierprinzip in Frage, das in Dialog, Intersubjektivität, Identität-Alterität usw. zum Ausdruck kommt. Gesellschaft besteht aber gerade nicht nur in Dualität/Dyaden; sie braucht – nicht zuletzt auch in Form von Institutionen, von Recht, Ökonomie, Medien, Geld und anderen Referenzpunkten und Vermittlungsinstanzen – unbedingt die Funktion des Dritten als eine Beobachtungs- und Regulierungsposition von gesellschaftlichen Beziehungen.
Wo ist diese unverzichtbare Figur zu finden und wie ist sie für die eigene Arbeit fruchtbar zu machen? Man könnte meinen, diese Verlagerung von der binären Unterscheidung zur verstärkten Aufmerksamkeit auf das Dritte sei erst eine Erscheinung der Moderne. Lässt sich auch im Altertum Entsprechendes finden? Wieweit ändert sich die triadische soziologische Figur der Vergesellschaftung, wenn – wie in den Altertumswissenschaften – über die Personenkonstellationen hinaus auch Dinge als „Dritte“ einbezogen werden?
Es gibt bisher kaum Ansätze in den Altertumswissenschaften, welche explizit die Figur des Dritten explorieren. Eher sind es indirekte Felder des Dritten und seiner Interventionskraft: Händler (z.B. Phönizier), Diplomaten, Schiedsrichter, Grenzgänger, Vermittler, Fremde, Störer, Unterbrecher, Stabilisierer usw. oder auch methodische Konzepte wie Hybridität, middle ground, third space.
Im Seminar wird – nach einer Einführung in die Diskussionen zur Figur des Dritten – ein anregender Schlüsseltext diskutiert und versucht, die Blickveränderung durch den Dritten für die eigene Arbeit fruchtbar zu machen. Diskussionsfragen können gern im Vorfeld per Email eingereicht werden.
Um eine vorherige Anmeldung zur Veranstaltung wird gebeten bei: bachmann-medick@web.de