Das Thema Wanderung bzw. Migration ist in den Altertumswissenschaften immer schon von großer Bedeutung gewesen. Wanderungsbewegungen werden zur Erklärung kulturellen und historischen Wandels herangezogen: Sie fungieren als historische Wegmarken oder Epochenschwellen, manifestieren sich in kulturhistorischen Diffusionstheorien und spielen eine zentrale Rolle bei der Konstruktion geohistorischer und geopolitischer Großräume. Dieser historisch-archäologische “Migrationismus” ist in den Altertumswissenschaften selbst seit den 1960er Jahren zunehmend kritisiert worden. Dennoch haben sich Verweise auf “Völkerwanderungen” und “Völkerwellen” in Überblicks- und populärwissenschaftlichen Darstellungen bis heute nahezu ungebrochen gehalten. Die Attraktivität des Migrationismus scheint sich dabei in nicht unerheblichem Maße aus seiner vielfachen ideologischen Verwendbarkeit zu speisen: So spielen Herkunfts- und Wanderungsmythen eine zentrale Rolle in nationalen Identitätskonstruktionen und rassentheoretischen Modellen und sind auch als Rechtfertigung kolonialer Herrschaft herangezogen worden. Die Präsenz des Migrationismus in durchaus differenten Kontexten indes zeigt, dass von eindeutigen Korrespondenzen hier weder in wissensgeschichtlicher noch in ideologischer oder politischer Hinsicht die Rede sein kann. Woher aber bezieht dieses Modell bis heute seine vermeintliche Erklärungs- und Überzeugungskraft, und inwiefern lassen Aufkommen und Kritik entsprechender Vorstellungen Rückschlüsse auf die Wissensgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts zu?
Da der altertumswissenschaftliche Migrationismus nur aus einer konsequent interdisziplinären Perspektive und unter Einbeziehung zeithistorischer Kontexte adäquat untersucht werden kann, richtet sich die Veranstaltung sowohl an disziplingeschichtlich interessierte Wissenschaftler/innen aus den Altertumswissenschaften als auch an Zeit- und Wissenschaftshistoriker/innen. Besonderes Gewicht wird dabei der Frage zukommen, inwieweit Persistenz und Überzeugungskraft altertumswissenschaftlicher Wanderungsmodelle auf einer bestimmten Art des historiographischen Erzählens basieren, also davon abhängen, wie Migrationsvorgänge dargestellt werden und welche typischen Rollen- und Erzählmuster dabei Verwendung finden.
11.10.2012 | |
09:00 - 09:15 | Begrüßung Eva Cancik-Kirschbaum |
09:15 - 10:00 | Matthias Jung |
10:00 - 10:45 | Veronika Lipphardt |
11:15 - 12:00 | Mijal Gandelsman-Trier |
12:00 - 12:45 | Patricia Deuser |
14:15 - 15:00 | Hans-Joachim Gehrke |
15:00 - 15:45 | Wanderungen in der Frühgeschichte Griechenlands: Konjunkturen eines Erklärungsmodells Birgitta Eder |
16:15 - 17:00 | Anca Dan |
17:00 - 17:45 | Aydin Abar |
12.10.2012 | |
09:15 - 10:00 | Felix Wiedemann |
10:00 - 10:45 | Peter Rohrbacher |
11:15 - 12:00 | Elke Kaiser |
12:00 - 12:45 | Ingo Wiwjorra |
14:15 - 15:00 | Roland Steinacher |