Die Vorstellung, wonach dem Orient als historische Grundkonstanten “Monotonie” und “Wiederkehr” eingeschrieben seien, gehört zweifellos zu den gängigen Topoi europäischer Reflexionen zur orientalischen Geschichte aus dem 19. und 20. Jahrhundert und ist entsprechend als zentrales Element einer “orientalistischen” Historiographie kritisiert worden.
Wie zu zeigen sein wird, manifestiert sich das Wiederkehr-Motiv in den Wissenschaften vom Alten Orient um 1900 nachgerade in Reflexionen über die Rolle von “Völkerwanderungen” in der Geschichte der Region. Seit langem hatten Anthropologen, Archäologen und Assyriologen versucht, den Orient durch Unterscheidung verschiedener Einwanderungsschichten ethnohistorisch zu kartographieren. Mit Hilfe des “kinematographischen Zeitraffereffektes” (Paul Ricœur) wurden dabei in der Regel äußerst langfristige Prozesse – tatsächliche oder vermeintliche Migrationen bestimmter Gruppen – zu distinktiven Ereignissen verdichtet, so dass etwa von der aramäischen Wanderung gesprochen werden konnte. Diese Wanderungen schienen sowohl zeitlich als auch räumlich eindeutig identifizierbar und ließen sich entsprechend kartographisch repräsentieren. Die Vielfalt und Komplexität der ausgemachten Wanderungen avancierte um 1900 indes zum Ausgangspunkt einer nachhaltigen narrativen Verschiebung: Zunehmend verschwanden die Grenzen zwischen den vormals als singuläre Ereignisse vorgestellten und kartographierten Wanderungen und verdichteten sich in der Vorstellung wiederkehrender oder permanenter Migrationen, die einer historischen Regelmäßigkeit zu folgen schienen. Von entscheidender Bedeutung war dabei die Koppelung der Wanderungszyklen mit tradierten Spekulationen über Aufstieg und Niedergang der orientalischen Reiche und Kulturen. Demnach avancierten Völkerwanderungen zum entscheidenden Faktor in der Geschichte des Orients, die der Region ihren scheinbar monotonen und durch Wiederholung charakterisierten Rhythmus vorzugeben schienen.
Indes sollte man vorsichtig sein, dieses Erzählmuster für ein reines Produkt “orientalistischer” Historiographie zu halten. Das Wiederkehr-Motiv gehört schließlich zu den allgemeinen Charakteristika kulturpessimistischer Narrative um 1900 und ist keineswegs auf Repräsentationen der Geschichte des Orients begrenzt. Vor diesem Hintergrund wäre nach analogen Funktionen von Völkerwanderungen in anderen historiographischen Kontexten der Zeit zu fragen.