Ancient Studies and Journalism
Eine Podiumsdiskussion des Exzellenzclusters Topoi und des Berliner Antike-Kollegs
Wie relevant sind altertumswissenschaftliche Themen für eine breitere Öffentlichkeit? Wer schreibt über die einschlägigen Forschungen, und unter welchen Bedingungen? Welche thematischen Aspekte sind dabei aus journalistischer Sicht spannend, und auf welche Leserschaft treffen die Beiträge? Und wie schließlich könnte sich die Kommunikation zwischen Altertumswissenschaftlern und Journalisten noch verbessern lassen? Am 28. November 2014 diskutierten zu diesen Fragen im Dahlemer Haus des Exzellenzclusters Topoi vier Journalistinnen und Journalisten und ein Wissenschaftler.
Die Teilnehmer
Das Spektrum der Teilnehmer umfasste den Magazin- und Tageszeitungs- ebenso wie den Online- und Rundfunkjournalismus:
Nikolaus Bernau arbeitet als freier Journalist und studierter Architekturhistoriker viel für das Feuilleton der Berliner Zeitung, u.a. auch zu altertumswissenschaftlichen Themen; er ist im Moment auch selbst Fellow des Exzellenzclusters Topoi und beschäftigt sich hier mit den Architekturentwürfen für das Pergamonmuseum Ende des 19. Jahrhunderts.
Angelika Franz arbeitet als promovierte Klassische Archäologin und freie Journalistin zu archäologischen Themen u.a. mit einer regelmäßigen Kolumne bei Spiegel Online; das verleiht ihr einen Sonderstatus im deutschen Journalismus und viele Freiheit bei der Themenwahl.
Siebo Heinken ist stellvertretender Chefredakteur von National Geographic Deutschland, einem Magazin mit zahlreichen Artikeln aus dem Bereich Geschichte/Archäologie, das eine hohe Auflage (über 160.000 Exemplare) und neben einem hohen Abonnement-Anteil auch relevante Einzelverkaufszahlen hat.
Bettina Mittelstraß arbeitet als freie Journalistin vor allem für den Deutschlandfunk (DLF) und verfasst Beiträge für die Sendung „Aus Kultur- und Sozialwissenschaften“ – eine, wie sie selbst sagte, „Nischenredaktion“, in der sie Themen selbst aussuchen kann und wo lange Beiträge entstehen.
Michael Meyer, ist Prähistorischer Archäologe und Sprecher des Exzellenzclusters Topoi, vertrat an diesem Abend also eine der veranstaltenden Institutionen.
Die Leitung der Diskussion hatte Nina Diezemann, Pressereferentin für Topoi und Redakteurin in der Pressestelle der Freien Universität Berlin.
Unter welchen Bedingungen entstehen die Beiträge?
Die Entstehungsbedingungen von journalistischen Beiträgen zu altertumswissenschaftlichen Themen unterscheiden sich – das machte die Diskussion sehr deutlich – von Medium zu Medium und auch je nach Journalist. Für den National Geographic ist die Verkaufszahl am Kiosk eine relevante Größe; je nachdem, wie ein Thema dort angenommen wird, können die Verkaufszahlen um 5.000 Hefte variieren. Entscheidend sind daher Titelgeschichte und Bebilderung. Es ist viel Zeit für die Recherche, das Schreiben und die Kontrolle des fertigen Textes vorhanden. Die Themenwahl ist dabei stark auf die Erwartungen der Leserschaft und auf die Möglichkeit einer Bebilderung ausgerichtet. Archäologie und Geschichte verkaufen sich grundsätzlich sehr gut und werden oft auf den Titel gebracht. Auch der Online-Journalismus ist durch die Möglichkeiten der Analyse von Webaktivitäten grundsätzlich unmittelbar an das Leserinteresse gekoppelt. Angelika Franz genießt dennoch, wie sie in der Diskussion hervorhob, als freie Fachjournalistin für Archäologie einen “Sonderstatus” als “die Archäologin” im deutschen Journalismus. Sie beginnt ihren Arbeitstag zumeist mit der Suche nach neuen Themen bis hin auf die Ebene von Lokalzeitungen weltweit und überlegt dabei selbst, was die Leser gerne lesen könnten; die Spiegel-online-Redaktion vertraut ihr bei der Themenwahl, und eine Begrenzung gibt es hier nur hinsichtlich der Länge der Beiträge.
Auch die Magazin-Beiträge im Deutschlandfunk entstehen – so berichtete Bettina Mittelstraß – unter außergewöhnlich guten Bedingungen, mit viel Freiheit bei der Themenwahl für die Redaktion und die freien Mitarbeiter und mit einer für die Bedingungen des Rundfunks beneidenswerten Beitragslänge von zumeist sieben Minuten. Die Hörerresonanz der Sendung wird über die Quotenmessung zwar ermittelt, doch spielt sie für die Frage, welche einzelnen Beiträge aufgenommen werden, keine entscheidende Rolle. Gemäß den Bedingungen des Mediums müssen Wissenschaftler über O-Töne in die Sendungen eingebunden werden und somit auch selbst zur Verfügung stehen, was die Vorbereitung beeinflusst. Gerade in diesem Medium müssen in Interviews einfache Fragen formuliert werden, um auch einfach gehaltene Antworten zu provozieren und damit das Verständnis des gehörten Beitrags zu erhöhen. Für die Tageszeitungen wies Nikolaus Bernau auf das “Hierarchiegerüst” im Feuilleton hin: hinter Sprache/Literatur, Musik und Bildender Kunst/Ausstellungen (vor allem moderner Kunst) folge etwa der Themenbereich Architektur erst an hinterer Stelle. Entsprechend schwer ist ein Beitrag zu einem archäologischen Thema etwa auf den zweieinhalb Seiten Feuilleton der Berliner Zeitung unterzubringen.
Wer sind (und was wollen) eigentlich die Leser und Hörer?
Die Frage, wer die Rezipienten der wissenschaftsjournalistischen Beiträge sind und wofür sie sich eigentlich interessieren, führte zu einer längeren Diskussion auf dem Podium und mit dem Publikum. Zumindest bei Online- und Magazinjournalismus werden, so Angelika Franz und Siebo Heinken, die Leserreaktionen quantitativ erfasst und auch qualitativ ausgewertet. Man weiß hier also ziemlich genau, welche Beiträge wie oft und wie gern gelesen werden, was gut und was nicht gut ankommt und ob etwa die Themenmischung eines National-Geographic-Heftes stimmt. Bei National Geographic gibt es zudem externe Kritiker, die auf Einladung Hefte nachträglich analysieren. Bei Spiegel Online ist die Marktforschung finanziell sehr gut ausgestattet; jeder Klick und jedes Scrollen auf einer Seite wird registriert.
Im Radio und im Zeitungsbereich scheint dagegen, so der Eindruck nach den Äußerungen von Bettina Mittelstraß und Nikolaus Bernau, die qualitative Erfassung von Reaktionen und Einschätzungen der Rezipienten überraschend schwach ausgeprägt zu sein. Die Autoren schrieben, so Bernau, “in eine Vermutung hinein”, was die Leser lesen wollten, und es gebe auch kaum Rückmeldungen der Leser, aus denen man diese Annahmen zumindest nachträglich bestätigen könnte. Bei der letztlich von erfahrenen Redakteuren getroffenen Entscheidung, was für das Leser- und Hörerpublikum relevant ist, spielt unter anderem eine ausgewogene Themenvielfalt eine entscheidende Rolle.
Worauf sich solche Vermutungen und auch die analytisch besser fundierten Entscheidungen von Journalisten und Redaktionen letztlich stützten, wurde intensiv diskutiert. Gibt es eigentlich, so eine Frage aus dem Publikum, einen „Wissenskanon“ der Gesellschaft, gerade hinsichtlich der “klassischen Bildung”, auf den Journalisten bei der Themenwahl rekurrieren können, und befindet sich dieser “Kanon”, wie ja immer wieder behauptet wird, in einem grundlegenden Wandel? Gegenüber diesem Modell äußerte vor allem Nikolaus Bernau starke Vorbehalte. Von einem althergebrachten und erst jetzt aufgebrochenen Kanon lasse sich nicht sprechen. Grundsätzlich sei der Wissensbestand und seien die Interessen der Öffentlichkeit immer einem Wandel unterworfen. Ende des 19. Jahrhunderts seien z.B. vor- und frühgeschichtliche Themen äußerst wichtig gewesen, und zurzeit gelte dies für den Themenbereich Ägypten. Insgesamt lasse sich sagen, dass die Themen der Altertumswissenschaften in den letzten Jahrzehnten keinen generellen Bedeutungsverlust erfahren hätten und das entsprechende Interesse der Öffentlichkeit nicht entscheidend zurückgegangen sei – während im Gegensatz dazu andere Themenbereiche durchaus Konjunkturen unterworfen seien. Diese Einschätzung teilten grundsätzlich auch die übrigen Teilnehmer auf dem Podium, wobei allerdings auch deutlich wurde, dass bei der Beitragsgestaltung durchaus auf vorhandene Wissensbestände Rücksicht genommen werden muss. Bekanntes und Neues, Wiedererkennung und Spannung müssen zusammenfallen. Angelika Franz zitierte aus einer von ihr selbst durchgeführten Umfrage unter ausgewählten Lesern, wonach vor allem der Bezug zum eigenen Alltag und der Wiedererkennungswert wichtig seien; Leser wollten das lesen, was Sie in irgendeiner Form schon kennen. Daher verkauften sich auch die großen Themen wie “Tutanchamun” so gut. Wenn aber dieser Anker vorhanden sei, könne der Beitrag den Leser auch in Unbekanntes hinüberführen. Ähnlich äußerte Siebo Heinken, dass die Leser “in eine andere Welt entführt werden” wollten , und auch wenn oftmals dieselben “Großthemen” wie Pompeji oder Wikinger im Vordergrund stünden, seien für Redaktion und Leser doch gerade die in ihnen enthaltenen neuen, von den Journalisten oder Wissenschaftlern aktuell entdeckten Aspekte und Detailthemen interessant. Auch im Rundfunk, so Bettina Mittelstraß, müsse zu Beginn zwar ein kurzer Moment geschaffen werden, in dem der Hörer ein Thema in seiner Alltagswelt verorten kann. Dann aber könne der Beitrag ihn auch zu etwas neuem entführen – und dabei sei letztlich entscheidend, dass die Begeisterung der beteiligten Wissenschaftler hörbar wird.
Mehrfach betonten die Podiumsteilnehmer ihre überaus positive Einschätzung der deutschen Rezipienten von Wissenschaftsjournalismus. Sie seien vielseitig interessiert, und auch sehr komplexe Zusammenhänge ließen sich ihnen noch immer vermitteln, wenn ihre Neugier erst einmal geweckt sei. Gerade das Interesse an Altertumswissenschaften stehe zudem, so Nikolaus Bernau, durch die gymnasiale Ausbildung in Deutschland noch immer auf einer relativ breiten Basis. Ein Problem sahen die Journalisten allerdings darin, dass es insgesamt nur wenige Leser– bzw. Hörerreaktionen gebe und dass die wenigen Reaktionen oftmals nur Detailkritik an vermeintlich falsch dargestellten Fakten beinhalteten. Für die Legitimierung des Wissenschaftsjournalismus auch in den eigenen Medien und Redaktionen sei es dagegen von immenser Bedeutung, dass die Rezipienten gerade auch positive Rückmeldungen zu Formaten oder einzelnen Beiträgen gäben.
Schon das Zwischenergebnis der Diskussion war somit durchaus erfreulich: das Interesse an den Altertumswissenschaften in der Öffentlichkeit ist ungebrochen, und Themen aus diesem Bereich sind für die Medien grundsätzlich relevant. Wann ein Thema tatsächlich journalistisch aufgegriffen wird, unterliegt allerdings einigen zusätzlichen Bedingungen, die zum Teil auch Mediums- und Format-spezifisch sind. So spielen “sensationelle Enthüllungen” gerade der Archäologie bei der Themenwahl oftmals eine zentrale Rolle. Unter den vertretenen Medien schien hier das Magazinformat des DLF mit seiner Zurückhaltung gegenüber solcher Art der Berichterstattung eher eine Ausnahme zu bilden. Wenn es “Sensationsmeldungen” in die Sendung schaffen, dann in vertiefter Form etwa durch die Einholung der Einschätzung mehrerer Gesprächspartner. In allen Medien ist aber, auch unabhängig von einem “sensationellen” Charakter, der Bezug eines Themas zu aktuellen Ereignissen wichtig. Auch das Hörfunkformat orientiert sich gerade in letzter Zeit zunehmend an aktuellen Terminen wie Tagungen, kann in einem solchen Zusammenhang dann aber wiederum auch ungewöhnliche geisteswissenschaftliche Themen unterbringen. Auch die persönlichen Interessen und Schwerpunkte von Feuilletonredakteuren können bei der Themenauswahl durchaus eine Rolle spielen. Schließlich sind auch regionale Bezüge von Forschung wichtig. Nina Diezemann warf etwa die Frage auf, warum über den spannenden Befund am bronzezeitlichen Hügelgrab in Seddin, derzeit erforscht in einem Topoi-Projekt, nur in der lokalen Prignitzer, nicht aber in der Berliner oder überregionalen Presse berichtet werde. Eine mögliche Antwort: Die Berliner Medien sind auf ihre eigene Stadt konzentriert, und die Prignitz ist Provinz – erst recht aus der Perspektive der großen überregionalen Blätter wie SZ oder FAZ.
Die Wissenschaft muss kommunizieren! Aber wie?
Trotz solcher einschränkenden Bedingungen äußerte Nikolaus Bernau die allseits geteilte Meinung: “Themen liegen rum wie Sand am Meer.” Wenn dennoch scheinbar “relevante” und “spannende” Themen nicht in den Medien aufgenommen werden, sind dafür zumindest teilweise, so wurde in der Diskussion deutlich, auch Besonderheiten in der Zusammenarbeit von Wissenschaftlern und Journalisten verantwortlich. Es gibt etwa Themen – genannt wurde das Beispiel der Ausgrabungen am Berliner Rathaus – die von den Wissenschaftlern selbst nicht oder erst sehr spät an Journalisten herangetragen werden. Etwas unklar blieb, worin solche Kommunikationsdefizite begründet sind: geringes Engagement für die Öffentlichkeitsarbeit auf Seiten der Wissenschaftler, oder vielleicht sogar eine gewisse Angst vor einer zu starken Verbindung von Wissenschaft und Medien? Möglicherweise arbeiten Wissenschaftler und Journalisten aber auch schlichtweg in verschiedenen Welten. Einhellig äußerte das Podium jedenfalls, dass in den Redaktionen ein “Hunger nach Themen” existiere und dass auf neue Themenvorschläge immer gewartet werde – nicht zuletzt, weil viele Journalisten in ihrem Arbeitsalltag selbst wenig Zeit für die Recherche hätten und oft auch nur über wenige Kenntnisse zu spezifischen Themengebieten verfügten. Die Wissenschaftler müssten daher auch den dichten Takt berücksichtigen, in dem Journalismus heute funktioniere, und Themen aktiv vorschlagen. Sehr wichtig für die Redaktionen und einzelnen Journalisten ist nach übereinstimmender Auffassung der direkte Kontakt zu Wissenschaftlern, um möglichst früh exklusiv an Geschichten zu kommen. Für National Geographic etwa ist es relevant, dass eine Nachricht bereits vor einem offiziellen Pressetermin thematisch vorbereitet und dann zum Termin erscheinen kann – der enge und exklusive Vorabkontakt führe damit, so Siebo Heinken, letztlich zu einer win-win-Situation für die Journalisten und auch für die Wissenschaftler, die eine gute Berichterstattung erhielten. Allerdings, so Nikolaus Bernau, kann Exklusivität auch unerwünschte Folgen haben, wenn sich andere Medien ausgeschlossen fühlten und dann schlimmstenfalls sogar mit dem völligen Verzicht auf eigene Berichterstattung reagierten. Es sei dagegen durchaus legitim und konkurrenzfördernd, wenn Wissenschaftler mehrere Medien berücksichtigten und z.B. nicht alle Informationen bereits vollständig einem Exklusivpartner weitergeben, sondern zusätzliche “Informationshappen” für weitere Medien in der Hinterhand haben.
Die direkte Zusammenarbeit von Wissenschaftlern und Journalisten bringt noch weitere Herausforderungen mit sich. Wissenschaftler haben oft hohe, von den Journalisten kaum zu bewältigende Ansprüche: so stehen etwa dem Wunsch nach möglichst umfassender inhaltlicher Kontrolle eines Textes durch den Wissenschaftler vor seiner Veröffentlichung in vielen Redaktionen zeitliche Beschränkungen entgegen. Eher eine Ausnahme bildet hier ein mit längerem Vorlauf produziertes Magazinformat wie National Geographic, das den Wissenschaftlern die Möglichkeit bietet, Texte gegenzulesen, und sogar nicht an der Beitragserstellung beteiligte Wissenschaftler hinzuzieht, deren sachliche Anmerkungen nach einem Gegencheck gegebenenfalls berücksichtigt werden. Auch die Bitte von Wissenschaftlern, vor einem Interview bereits alle Fragen vorgelegt zu bekommen, ist durch die Journalisten nicht immer zu erfüllen; und sie bringt das Problem mit sich, dass auch die Antworten oftmals schon vorab notiert werden, was, so die betroffenen Journalisten auf dem Podium, im Radiointerview, aber selbst im Zeitungsinterview stilistisch sofort spürbar sei. Insgesamt fehlt den Journalisten, so wurde deutlich, oftmals die Zeit, aktiv nach wissenschaftlichen Experten zu recherchieren, sie mehrfach zu kontaktieren oder ihren Wünschen nach bestimmten Zeitpunkten oder Interviewbedingungen nachzukommen. Gerade im Radio, das auf O-Töne von Wissenschaftlern zwingend angewiesen ist, können solche Umstände bei der Kontaktaufnahme gravierende Probleme bilden. Erst recht gilt dies für umfangreichere Recherchen, für die insbesondere bei Zeitungen und im Hörfunk oft kein Etat bereitsteht. Durchaus sinnvoll könnte es hier sein, so Nikolaus Bernau, in wissenschaftlichen Projekten selbst einen Etat für Pressearbeit vorzusehen und daraus z.B. Journalistenreisen zu finanzieren. Dem problematischen Aspekt einer einseitigen Bindung von Journalisten an bestimmte Projekte stünde die Möglichkeit gegenüber, den Anspruch der Öffentlichkeit auf Information umfassend zu erfüllen.
Und was Wollen Die Wissenschaftler?
Was wiederum die Wünsche der Wissenschaftler an einen idealen Journalismus sind, fasste Michael Meyer kurz zusammen: ein differenzierter Journalismus, der sich Zeit nimmt, sich mit komplexen Dingen auseinandersetzt und sie interessant darstellt, der kurz, schnell und präzise ist und der in Interviews so fragt, dass der Wissenschaftler „warmläuft“ und entsprechend interessant über sein Forschungsgebiet berichtet. In der Realität sähen sich die Wissenschaftler allerdings unterschiedlichen Medien gegenüber, die auch einen unterschiedlichen Umgang erfordern. Wenn es etwa um kurze journalistische Formate gehe, so Meyer, müssten sie auch bereit sein, ihre eigenen Inhalte knapp und verkürzt darzustellen, auch wenn aus wissenschaftlicher Sicht längere Diskurse notwendig wären; ein Beispiel ist die noch immer häufige Verwendung des wissenschaftlich längst dekonstruierten Kelten- oder Germanenbegriffs in den Medien. In längeren Formaten könne und müsse der Wissenschaftler dafür sorgen, dass ein solcher Aspekt entwickelt wird; in kürzeren Formaten dagegen müsse er sich mit der Frage auseinandersetzen, ob die inhaltliche Verkürzung trotz ihrer Problematik eventuell dazu dienen kann, überhaupt noch Verständnis für ein Thema in der Öffentlichkeit zu wecken – für den Wissenschaftler eine schwierige Abwägung. Vielleicht aber auch nicht ein unlösbares Problem, wie Nikolaus Bernau hervorhob: auch komplexere Fragen könnten sehr spannend präsentiert werden und sich auch verkaufen, in dem erwähnten Fall etwa mit der Schlagzeile “Die Wikinger gibt es nicht”.
Mit solchen Herausforderungen und Ambivalenzen können, wie Nina Diezemann hervorhob, die Pressestellen der Universitäten gut umgehen. Die Arbeit der Pressestellen schien in der Diskussion gegenüber dem Wunsch der Journalisten nach möglichst direktem Kontakt zu Wissenschaftlern zunächst etwas in den Hintergrund zu rücken. Doch gerade hier gibt es Unterstützung für Wissenschaftler, die nicht wissen, welche Journalisten welcher Medien zu welchen Zeitpunkten und mit welchen Themenvorschlägen am besten anzusprechen sind. Wie wichtig die Arbeit der Pressestellen auch beim Wettbewerb um die Aufmerksamkeit von Journalisten sein kann, verdeutlichte etwa der Hinweis von Bettina Mittelstraß auf die Bedeutung von Nachrichtenverteilern wie dem “Informationsdienst Wissenschaft (idw)”. Sie selbst nutze diese Medien stark zur Themenfindung, werde aber oftmals dadurch abgeschreckt, dass die Nachrichten hier anstelle von Themen und interessanten Fragestellungen Modebegriffe wie “Interdisziplinarität” an den Beginn stellten. Wichtig sei aber, dass rasch die wichtigen Inhalte eines Projekts und mit ihnen das Potential und auch die Begeisterung der Wissenschaft für ein Thema erkennbar würden.
Die Diskussion kam somit zu einem ebenso positiven wie konstruktiven Ergebnis. Entgegen einer oftmals pessimistischen Sichtweise der Altertumswissenschaften, die ihre eigene Relevanz in der Öffentlichkeit schwinden sieht, gibt es für die Themen der einschlägigen Fächer nach wie vor ein lebhaftes Interesse in der Öffentlichkeit. Der Wissenschaftsjournalismus – vertreten durch die vier Teilnehmer der Diskussion – ist bei der Suche nach Themen und bei ihrer Darstellung mit großem Engagement beteiligt. Er ist aber auf die Wissenschaft als Gesprächspartner angewiesen; die Themen finden sich nicht von selbst. Die Wissenschaftler sollten sich daher noch viel stärker als bislang aktiv in die Vermittlung ihrer Forschung einbringen, den Kontakt zu Journalisten suchen und den Mut haben, auch in komplexen Themen relevante und für ein breites Publikum spannende Aspekte zu sehen und weiterzugeben.
Autor: Hauke Ziemssen
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