Im Ruhrpott der Antike

Der Archäologe Raphael Eser und der Geograph Fabian Becker untersuchen im Rahmen ihrer Promotion an der Berlin Graduate School of Ancient Studies und des Exzellenzclusters Topoi gemeinsam die antike Eisenverhüttung auf der toskanischen Insel Elba

 

Schlacke: Spuren der Vergangenheit auf Elba. Bildquelle: Fabian Becker

Schlacke: Spuren der Vergangenheit auf Elba. Bildquelle: Fabian Becker

Vor mehr als 2000 Jahren qualmten auf Mittelmeer-Insel die Verhüttungsöfen, mit deren Hilfe Eisen gewonnen wurde. Bis heute zeugen archäologische Funde, der spezielle Pflanzenbewuchs und eine große Menge an Schmelzrückständen – die sogenannte Schlacke – von einem antiken Industriezeitalter, das Elba den Beinamen Aithália, “die Rauchende“, eingebracht hat. Die Spuren der Vergangenheit untersuchen der Geograph Fabian Becker von der Freien Universität Berlin und der Klassische Archäologe Raphael Eser von der Humboldt-Universität zu Berlin mit Hilfe von Bodenproben und modernen Datierungsmethoden. In ihrem gemeinsamen Projekt, das ihre beiden Doktorarbeiten verbindet, wollen sie herausfinden, was wie in der Antike auf der toskanischen Insel der begehrte Rohstoff hergestellt wurde.

 

Die Insel Elba ist heute ein beliebtes Urlaubsziel. Bildquelle: Fabian Becker

Die Insel Elba ist heute ein beliebtes Urlaubsziel. Bildquelle: Fabian Becker

Gefunden hat sich das Promotions-Team an der Berlin Graduate School of Ancient Studies (BerGSAS), eine von Humboldt-Universität und Freier Universität getragene Graduiertenschule, die mit dem Berliner Antike-Kolleg assoziiert ist. Hier promovieren die jungen Wissenschaftler, die im Rahmen des Exzellenzclusters Topoi gefördert werden und hier auch an einem Forschungsprojekt zur Herstellung von Eisen in der Antike ( https://www.topoi.org/group/a-5/) mitarbeiten, im Programm Landscape Archaeology and Architecture. Die Forscher bereisen die Insel Elba gemeinsam, untersuchen Funde und Bodenproben mit Hilfe archäologischer und geowissenschaftlicher Methoden. Während Raphael Eser an einer Monographie zum kulturellen Leben rund um die antike Eisenverhüttung arbeitet, trägt Fabian Becker in seiner Arbeit, die in mehreren Aufsätzen veröffentlich wird, Wissen über die historische Umwelt der Insel Elba zusammen. “Bislang habe ich von Raphael zum Beispiel gelernt, wie man Scherben datiert“, sagt der Geowissenschaftler. Im Gegenzug kann Raphael Eser nun signifikante Merkmale der Oberflächengestalt des Geländes erkennen und dadurch Orte identifizieren, an denen es sich lohnt, Bohrungen vorzunehmen. “Die Zusammenarbeit steigert die Qualität und die fachliche Tiefe unserer Arbeit“, ist Becker überzeugt. “Wir lernen voneinander und stellen durch den interdisziplinären Austausch regelmäßig unsere Schlussfolgerungen in Frage.“

 

 Das Forscherteam: Raphael Eser und Fabian Becker. Bildquelle: Nora Lessing

Das Forscherteam: Raphael Eser und Fabian Becker. Bildquelle: Nora Lessing

Herausfinden will das Forscherteam unter anderem wie lange wo mit welchen Methoden und unter Verwendung welcher Materialien auf Elba verhüttet wurde. “Elba liegt nur wenige Kilometer vom italienischen Festland und somit vom damaligen industriellen Zentrum Populonia entfernt”, erläutert Raphael Eser. “Populonia war sozusagen der Ruhrpott der Antike, dort wurden innerhalb von 700 Jahren rund zwei Millionen Tonnen Eisenerz verhüttet. Ein großer Teil davon stammte sehr wahrscheinlich von der Insel Elba.” Bislang geht man in der Forschung davon aus, dass der Erzabbau und die Eisenverhüttung auf Elba vor etwa 2000 Jahren zur Zeitenwende eingestellt wurden, die Insel somit ihren Status als Eisenlieferant einbüßte. Den Grund dafür vermutet man in einer Umweltkrise. “Zur Verhüttung braucht man Holz. Die gängige These ist, dass man damals den kompletten Baumbestand der Insel abgeholzt hatte und damit die Verhüttung unmöglich gemacht”, erklärt Eser.

Eben diese These wollen die Wissenschaftler im Rahmen ihrer Doktorarbeiten widerlegen. “Eine unserer wichtigsten Forschungsfragen ist, ob sich die Umwelt damals tatsächlich so stark verändert hat“, sagt Fabian Becker. Es gibt Schätzungen darüber, wie viel Erz in der Antike verhüttet wurde. “Wenn man sich das ansieht, stellt man fest, dass für diese Menge gar nicht so viel Holz benötigt wird, als dass man die ganze Insel hätte abholzen müssen.” Eser und Becker sind überzeugt, dass sie bisherige Annahmen zur Chronologie der industriellen Geschichte der Insel und die Verhüttung dort über Christi Geburt hinaus, mit ihren Untersuchungen in Frage stellen können.

 

Spezialbohrer im Einsatz. Bildquelle: Fabian Becker

Spezialbohrer im Einsatz. Bildquelle: Fabian Becker

Um ihre Thesen zu belegen, suchen und dokumentieren die Forscher verschiedene Arten von Schlacke und setzen an vielversprechenden Stellen den Bohrer an: Anhand unterschiedlicher geochemischer Eigenschaften von Sedimenten, die die Wissenschaftler mit Hilfe eines Spezialbohrers in bis zu elf Metern Tiefe entnehmen, können sie nachweisen, dass Erze in unterschiedlichen Gebieten der Insel weiterverarbeitet wurden, sagt Becker. Zudem lassen sich durch die Untersuchung von Schlacken auch unterschiedliche Methoden der Verhüttung rekonstruieren. “Aus anderen Regionen wissen wir, dass sich Verhüttungsmethoden mit der Zeit verändert haben. Nun wollen wir herausfinden, ob das auch auf Elba zu beobachten ist”, sagt Fabian Becker.

“Großartig wäre es, wenn es uns gelänge, die Chronologie der Ereignisse und somit auch die geographischen Veränderungen über die Zeit zu rekonstruieren”, so Eser. Wenn die Verhüttung tatsächlich über einen längeren Zeitraum stattgefunden habe, müsse sich dies auf den gesamten antiken Wirtschaftsraum der römischen Kaiserzeit ausgewirkt haben. “Unser Ziel ist es, zu einem stimmigen Bild darüber zu kommen, wie Mensch und Umwelt in dieser Zeit interagiert haben und welche Prozesse die Landschaft auf Elba geformt und zu dem gemacht haben, was sie heute ist”, ergänzt Becker. Die gemeinsame Forschung könne den Forschungsstand deutlich verbessern und jenseits von überlieferten Textquellen eine breitere Interpretationsgrundlage zur Beantwortung der Frage liefern, was sich vor mehr als 2000 Jahren im Mittelmeerraum ereignete.

Text: Nora Lessing für “Berliner Universitäten im Verbund”